MUSEUMSPÄDAGOGIK
Städtisches Kunstmuseum Reutlingen
Kunst der Region — Bild des Monats, Februar 2002
Wilhelm Laage — Selbstbildnis 1927
Im repräsentativen Typus des Dreiviertel-Portraits, leicht aus
der Mittelachse nach rechts gedreht, präsentiert sich der Künstler
dem Betrachter. Bekleidet ist er mit dunk- lem, nicht beschmutztem Malerkittel,
schwarzer Weste, weißem Hemd und lila Krawatte, die Goldkette seiner
Taschenuhr blitzt hervor. Der Gesichtsausdruck des Künstlers wirkt
durch die schmalen Lippen, den kurz geschnittenen Lippen- und Kinnbart
ernst, sein Blick ist aus dem Bild, aber nicht direkt auf den Betrachter,
sondern auf einen etwas erhöhten Punkt gerichtet. In seiner Rechten
hält er die Malutensilien Palette und Pinsel, der linke Arm ist angeschnitten,
so dass die Hand nicht sichtbar ist. Der Hintergrund des Bildes ist in
neutralem Braun gehalten, lediglich ein schmaler lila Streifen ist am rechten
Bildrand platziert.
Wilhelm Laage hinterließ nicht nur ein sehr umfangreiches druckgraphisches
Werk, sondern auch ein abwechslungs- reiches malerisches Œuvre. Bestimmt
waren die Themen seiner Gemälde von seiner direkten Umgebung: zuerst
hat er die norddeutsche Heimat gemalt, dann ab 1907, dem Umzugsjahr nach
Reutlingen, war es wieder die unmittel- bare Umgebung, Obstbäume im
Garten, die Alb in vielen Varianten, die der Künstler festgehalten
hatte. Dabei war das Licht als Mittel zur Steigerung des atmosphärischen
Ausdrucks eingesetzt.
Erst ab 1910 ist zu den Landschaften das Sujet des Stilllebens dazugekommen
und auch das Porträt spielte — von wenigen Ausnahmen abgesehen (Bildnis
seines Sohnes und seiner Frau) bis dahin ebenfalls eine untergeordnete
Rolle. Ab 1919 erhielt er mehrere Aufträge für Bildnisse. Dabei
suchte er immer das Charakteristische zu erfassen, ohne dabei der Person
zu nahe zu treten. 1916 ist das erste Selbstbildnis — eine Auftragsarbeit
für Theodor Reinhart — entstanden, das vorliegende Bild von 1927 ist
wohl sein letztes Selbstportrait. Nicht ohne Ironie kommentierte Laage
die Fertigstellung seines ersten Selbstbildnisses in einem Brief an den
Besteller: "Ich habe ihren Auftrag erledigt und mit Lust und Liebe mein
Konterfei in die Welt gesetzt; mein Doppelgänger steht jetzt hier
bei mir und erscheint sich wichtiger als das Original" (Zitat aus Ausstellungskatalog
Wilhelm Laage, Gemälde, Reutlingen 1993, S. 8)
Lust und Liebe sprühen nun gerade nicht mehr aus dem Bild des 59-jährigen:
eher verhalten und zurückgenommen präsentiert sich hier der Künstler.
Die Vergegenwärtigung des Ichs erfolgt vielmehr fragend und zweifelnd,
letztendlich bleibt es bei einer nur bedingten Öffnung nach innen.
Laage bleibt jedoch mit dieser hieratischen Pose, dem strengen Ausdruck
und der Darstellung seiner Handwerkzeuge in der Tradition der Künstlerselbstbildnisse
und vermittelt eher eine Aussage über seinen Geltungsanspruch als
über seine Psyche.
Evamarie Blattner
Mitarbeiterin des
Städtischen Kunstmuseums Reutlingen
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